15. Dezember 2021

Erneuerbare Energien | Strom

100 Prozent Ökostrom von der Birs.


Das erneuerte Flusskraftwerk Obermatt zeigt Wasserkraft und Naturschutz im Einklang.


Martin Strohmaier hat sich als Projektleiter für den Erhalt des Birs-Kraftwerks Obermatt eingesetzt. Seine Beharrlichkeit und seine Ideen haben massgebend dazu beigetragen, dass das Projekt zur Zufriedenheit aller Beteiligten beendet wurde und das Kraftwerk weiterhin erneuerbaren Strom liefert.

Martin Strohmaier, Sie haben dem Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung der EBL einen teureren Neubau anstatt einer Sanierung der bestehenden Kraftwerkszentrale empfohlen. Was war Ihre Überlegung?

Arbeitsziel war die Sanierung des bestehenden Kraftwerks. Doch nach den ersten Vorplanungen legten gleich mehrere Punkte einen Neubau nahe. Während des Bewilligungsverfahrens wurde vom Kanton ein Hochwasserschutzprojekt in der Gemeinde Zwingen abgeschlossen. Dies brachte im Unterwasserkanal des Kraftwerks eine Absenkung des Wasserstands von rund einem Meter mit sich. Beim bestehenden Kraftwerk hätte dies die Saugrohre der Turbinen bei niedrigen Abflüssen freigelegt. Beim Neubau hingegen bedeutete dies einen Zugewinn an Fallhöhe. Der Zugang zum alten Krafthaus war zudem nur über das im Fremdbesitz stehende Gelände der ehemaligen Papierfabrik möglich und stellte ein rechtliches Problem dar. Mit dem Neubau wechselten wir auf die gegenüberliegende Seite und haben nun freien Zugang zu unserem Gelände und zur Zentrale. Damit haben wir uns räumlich wie auch schwingungstechnisch von der geplanten Neubebauung des Areals getrennt. Mit dem Neubau hatten wir auch die Chance, auf eine statt zwei Turbinen zu reduzieren, und uns den künftigen Starkniederschlagssituationen und Trockenzeiten so anzupassen, dass wir auch künftig wirtschaftlich produzieren können. All diese Verbesserungen und der um die Hälfte reduzierte betriebliche Aufwand rechtfertigen die Mehrkosten von etwa einem Drittel – besonders mit Blick auf die Zukunft.

Der ganze Prozess zur Wiedererlangung der Konzession mit der Projektierung, dem Bewilligungsverfahren und dem Neubau hat sieben Jahre gedauert. Was war dabei die grösste Herausforderung?

Wir wollen nachhaltigen Strom produzieren und gleichzeitig die lokale Ökologie möglichst weiter verbessern. Wir haben deshalb schon früh nicht nur mit den zuständigen kantonalen Behörden Kontakt aufgenommen, sondern auch mit den regionalen und lokalen Fischereiverbänden und Naturschutzorganisationen das Gespräch gesucht. Die grosse Herausforderung war, die verschiedenen Anforderungen ökologischer und technischer Art mit den betrieblichen Bedürfnissen und der Wirtschaftlichkeit unter einen Hut zu bringen. Das bedeutete manchmal auch, Fakten zu liefern, die eine vernünftige und akzeptierte Diskussionsbasis für die diversen Forderungen bildeten. Ein Beispiel ist die Restwasserfrage. Hier wurde von einzelnen Involvierten noch mehr garantiertes Restwasser für die Birs gefordert. Es ist aber nicht so, dass mehr Wasser automatisch mehr Fischwohl bedeutet. Ich liess deshalb von Fachleuten die Birs mit einer Drohne vom Wehr bis zur Einmündung des Unterwasserkanals dreidimensional vermessen und die für Fauna und Flora ideale Wassermenge berechnen. So konnten wir uns auf die Restwassermenge von 1500 Liter pro Sekunde einigen. Das ist viel mehr als die 800 Liter von vorher, aber ein wissenschaftlich begründeter Wert, mit dem wir arbeiten können.

Das Kraftwerk läuft nun seit ein paar Monaten. Der EBL Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung zeigen sich stolz über den gelungenen Neubau und das Gesamtprojekt. Wie sieht es bei Ihnen aus?

Das Projekt ist für mich noch nicht ganz abgeschlossen. Die Auenlandschaft unterhalb des Kraftwerks ist noch am Entstehen. Das wird ein paar Jahre dauern, bis die Natur ihren Lauf nimmt. Ausserdem muss die Anlage zunächst mal den prognostizierten Strom erzeugen, um die Investitionskosten zu amortisieren. Hier gibt es im wahrsten Sinne des Wortes noch ein paar Steine aus dem Weg zu räumen. Zudem sind wir in die Lernphase für die betrieblichen Abläufe eingetreten, die uns ermöglicht, die Funktion des Kraftwerks unter ökologischen wie wirtschaftlichen Aspekten zu verbessern. Ich bin sehr froh darüber, dass sich der Verwaltungsrat für den Neubau und damit für den Erhalt des Kraftwerks ausgesprochen hat. Das Projekt war anspruchsvoll, sehr spannend, und wir konnten viele gute Neuerungen vornehmen. So fliesst das Wasser nicht mehr direkt auf den Rechen unseres Kraftwerks zu, sondern fast parallel dazu. Das ermöglichte eine deutlich grössere Rechenfläche, die den Fischen zugutekommt, sowie eine Beruhigung des Wasservolumens vor der Turbine. Auch das Geschwemmsel kann so in Fliessrichtung weitergeleitet werden. Vor dem Kraftwerk ergeben sich für die Fische und Wasservögel in Randbereichen ruhigere Kanalabschnitte, wo sie verweilen können. Das Thema Fischschutz und Fischdurchgängigkeit wurde grundlegend verbessert. Auch hatte der alte Rechen vertikale Stäbe mit fast doppelt so grossen Abständen, die die Fische verletzen konnten. Die engeren, gerundeten horizontalen Stäbe beim Rechen sowie die grosse Fischtreppe, über die vielleicht einmal der Lachs bis nach Laufen wandert, sind ebenso neu wie der Fischabstieg. Um die Aktivität in der Fischtreppe beurteilen zu können, wurde ein Fischzählbecken in den Fischpass integriert. Zudem konnten die betrieblichen Abläufe für die Reinigung des Rechens und die Turbinenwartung deutlich verbessert werden. Ich finde auch, dass die neue Anlage im Vergleich zur alten optisch richtig schön geworden ist und deutlich wirtschaftlicher betrieben werden kann.

 


So funktioniert das Birs-Kraftwerk Obermatt


Bei einem Ausleitungskraftwerk wird das durch eine Wehranlage aufgestaute Wasser über einen Kanal zum Krafthaus geleitet, das nicht direkt bei der Wehranlage steht. Durch die Ausleitung wird der Flusslauf verkürzt, um mehr Fallhöhe zu gewinnen. Die Fallhöhe wird im Kraftwerk selbst durch einen senkrechten Fall erzeugt. Das fallende Wasser treibt eine Turbine an, die über einen Generator Strom erzeugt.

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Nach dem Passieren des Dammbalkenschützes fliesst das Wasser durch einen Rechen. Dieser ist besonders fischfreundlich – dank horizontaler, enger bemessener und gerundeter Stäbe

 


Mehr Wasser für die Birs

Hier, beim Wehr, fliesst ein Teil des Wassers den Flusslauf der Birs weiter, der andere Teil fliesst durch den 925 Meter langen Oberwasserkanal auf das Kraftwerk zu. Mit der neuen Konzession hat sich das Wasser, das weiterhin durch den Flusslauf läuft, fast verdoppelt. Fliesst zu wenig Wasser durch die Birs, als Restwassermenge, Fischtreppe und Fischabstieg benötigen, wird kein Strom produziert.

 


Kommt der Lachs zurück?

Die Fischtreppe wurde mit grossen Abmessungen und breiten Becken ausgeführt, damit auch der Lachs die Birs hochschwimmen könnte, sollte er einst den Weg von der Nordsee bis zurück ins Laufental finden. Grund für diese Massnahme sind die Programme «Lachs 2000» und im Anschluss «Lachs 2020» der Anrainerstaaten des Rheins, welche die Wiederansiedlung des Atlantischen Lachses im Rhein vorantreiben sollen. Für den Kanton Basel-Landschaft bedeutet dies, dass er Birs, Ergolz und Wiese für Fischhabitate und die Fischwanderung flottmachen muss. Die Birs weist von allen Schweizer Rheinzuflüssen weitaus die besten Voraussetzungen als Lachsgewässer auf.


Erfahren Sie hier mehr zu diesem spannenden und nachhaltigen Projekt: Wasserkraftwerk Obermatt.